Hörsehbehinderung oder Taubblindheit ist eine Beeinträchtigung
die einen sehr hohen stressfaktor bewirkt.
Allein eine hochgradige Sehbehinderung oder Blindheit erzeugt Ängste!
Angst zu fallen, anzustoßen, sich grundsätzlich, blind, erblindet oder
hochgradig sehbehindert, innerhalb des Straßen- bzw. Zugverkehrs, auf
Bahnhöfen, in Großstädten zu bewegen.
Angst und der daraus folgende Stress bewirken einen ganz bestimmten Ablauf
in der Muskelstruktur des Körpers.
Was ist Stress?
Stress ist die naturgegebene Fähigkeit des menschlichen Körpers, sich auf
Gefahren einzustellen, und sich vor ihnen zu schützen. Gewöhnlicher Stress
hilft uns, das Gleichgewicht zwischen äußeren Reizen und deren sinnlicher
Verarbeitung zu halten. Ist der Stressfaktor jedoch über längere Zeit
sehr hoch, kann er uns körperlich und emotional zermürben. Stress, der
ignoriert wird, macht krank. In Ausnahmesituationen kann es sogar
passieren, daß der Körper "dichtmacht".
Bei Stress und Angst wird Adrenalin in die Muskeln gepumpt, der Körper macht
sich bereit: „Fliehen oder Kämpfen!“. Die einzelnen Schritte des Körpers sind
u.a.: Verspannung, der Druck im Magen steigt in die Kehle und Adrenalin wird
ins Blut gepumpt. Die Organe werden in Alarmbereitschaft versetzt.
In der Regel geht es einem blinden Menschen aber nicht darum zu fliehen
oder zu kämpfen.
Der Stress, die Angst, das Adrenalin bleiben also in den extrem angespannten
Muskeln stecken und zerren und reißen an ihnen.
So ist der Körper in einer andauernden Konzentration und Anspannung der
Muskeln, die Ohren sind gespitzt.
Was ist nun, wenn auch die Ohren nicht mehr genügend Informationen aufnehmen
und weitergeben können?
Allein aus dem Haus zu gehen wird nun zu einem Abenteuer mit einem hohen Grad
an Aufregung.
Die Personen stehen beständig unter einem Stressfaktor, mit dem andere auf
große Reisen gehen, in ein besonders schnelles karussell steigen, Prüfungen
ablegen.
Wenn die Kontrolle über das Sehen nicht geht und über das Hören
auch nicht mehr, dann entsteht Angst, Schwindelgefühl bis hin zu
Panikattacken. Diese Panikattacken sind aber keine psychischen Auffälligkeiten.
Sie sind eine natürliche körperliche Reaktion darauf, den inneren Streß
auszuhalten und nicht abbauen zu können. Daraus entsteht ganz natürlich
eine Angstspirale die sich immer weiter bis zur Panik dreht.
Vermeidungsverhalten kann die Folge sein, viele Betroffene verlassen immer
seltener ihr Zuhause oder treffen sich in einem ganz geschützten Rahmen,
drohende Isolation und Depression können die Folge sein.
Viele Betroffene machen diesen ganzen Stress allein mit sich aus, stehen,
wenn sie noch hinaus gehen, zu Veranstaltungen kommen, unter einem
unglaublichen Konzentrationsstress.
Durch diese gesteigerte Anspannnung wird teilweise noch weniger von der
Umgebung wahrgenommen.
Wenn dann noch die Ausübung von Hobbies fehlt, Freizeitmöglichkeiten, die dem
Ausgleich und der Kompensation von Stress dienen, also Stress abbauen
könnten, gibt es auch hier keinen Ausgleich mehr.
Dazu kommt noch häufig Arbeitsplatzverlust und frühzeitige
Erwerbsunfähigkeit.
Viele hörsehbehinderte oder taubblinde Menschen schämen sich und
haben das Gefühl sie können sich nicht doppelt zumuten und leisteten nichts
mehr.
Dies führt häufig zu einem Verlust des Selbstwertgefühles.
Wenn sich die Familie aufgrund einer Überforderungssituation zurückzieht,
droht eine reale Isolation.
Menschen, die im Alter hörsehbehindert werden, ziehen sich oftmals sehr
zurück, sie können die aufkommenden Ängste und Stresssituationen nicht mehr
bewältigen, haben selten die Kraft sich durchzusetzen und dafür einzusetzen,
Rücksicht einzufordern.
Eine hörsehbehinderte Dame beschrieb es so:
„Alles dumpf um mich herum - ich sehe kaum etwas - ich höre kaum etwas - ich
kann mich kaum orientieren - bekomme um mich herum kaum etwas mit - Dumpf -
hilflos - orientierungslos - Angst - Stress - Panik - keine Luft mehr -
nicht eingreifen können in ein Gespräch, was um mich herum stattfindet
- wie ins Leere greifen - nicht fragen können, weil man die Antworten nicht
versteht -„
Sie schreibt alles auf einen Zettel, Das klappt oft, dann sind zumindest
ihre Fragen gestellt.
Diese Dame sagt ganz deutlich, sie bräuchte immer jemanden, der an ihrer
Seite ist und zwar jemanden, der geschult ist, den Kontakt zwischen ihr
und den Menschen zu begleiten und hin und her zu übersetzen.
Gut ausgebildete Taubblindenassistenz könnte vielen
hörsehbehinderten und taubblinden Menschen aus der Isolation und
Überforderung heraus helfen.
Taubblindenassistenz als Begleitung und als Kommunikationsübersetzungskraft,
die geschult ist, Verstehen zu erzeugen, d.h., eine Situation
herzustellen, in der Verstehen möglich ist.
Die ebenso darin geschult ist, das Gesprochene in die Kommunikationsform
zusammenzufassen und an die hörsehbehinderte oder taubblinde Person
weiterzugeben, damit diese sie verstehen kann, sei es in der
entsprechenden Lautstärke, indem direkt ins Ohr der betroffenen Person
gesprochen wird, sei es in Form von Lormen, taktilem Gebärden und weiteren
Kommunikationsformen.
Taubblindenassistenten, die Menschen mit starker Hörsehbehinderung oder
Taubblindheit unterstützen, ihren Altag wieder selbstständig zu bewältigen, die
die Betroffenen zu Veranstaltungen begleiten und es ihnen ermöglichen,
Tätigkeiten zur inneren Entspannung auszuüben, sind Grundvoraussetzung um
hörsehbehinderten und taubblinden Menschen eine Minimalteilhabe am
sozialen und gesellschaftlichen Leben zu ermöglichen.
© Heike Herrmann-Hofstetter
Psychotherapeutische Heilpraktikerin und Supervisorin