Manchmal, gerade wenn ich sehr angestrengt bin, viel gearbeitet,
wenig geschlafen habe, wird es einfach nicht hell.
Die Augen, der Blick fühlen sich an, als seien die Augen verklebt,
ich habe den Drang, das Klebrige wegzuwischen, damit der Blick
wieder klar wird.
Manchmal hilft es für einige Momente, wenn ich kurz die Augen
schließe, ich kann dann aber richtig zuschauen, wie es sich
wieder eintrübt.
Gerade außerhalb meiner Wohnung verunsichert mich dies zutiefst.
Immer mal wieder kommt es vor, dass ich hinaus gehe und es wird und
wird nicht hell.
In solchen Momenten denke ich, „Du kannst doch jetzt nicht einfach
weiter laufen, Du kannst doch nicht herum laufen, wenn es für Dich
völlig dunkel ist“.
Dies ist ein Angstgefühl, dass sich ab und an zu einem Gefühl kurz vor
einer Panik steigert.
Jetzt weiß ich, es wird irgendwann wieder hell aber ich habe nicht die
geringste Ahnung, wie es sich anfühlen soll, wenn ich weiß, dass
es nicht mehr hell wird.
Heute beruhige ich mich an diesen Tagen beständig, „Gehe einfach
weiter, geh weiter, das geht wwieder vorbei, bleib ganz ruhig
und geh einfach weiter“.
Einfach weitergehen ist gar nicht so schwierig, die größte Sorge
bereitet mir der Gedanke, Menschen zu begegnen. Wie soll ich denn mit
Menschen reden, die ich gar nicht mehr sehe und zwar gar nicht mehr
sehe?
Wie soll ich mich innerhalb von Räumen bewegen, wenn ich gar nichts
mehr und zwar gar nichts mehr sehe.
Gleichzeitig taucht ein beruhigender Gedanke in mir auf:
„Welch gute Vorbereitung, dass ich mich bereits vor 15 Jahren schweren
Herzens entschieden habe, ein Orientierungs- und
Mobilitätstraining zu absolvieren, Welch weiser und vorausschauender
Entschluss“.
Nun kann ich, was die Mobilität betrifft, völlig souverän durch
diese Dunkelheit gehen.
Die beständige Übung mit dem Langstock, der Entschluss, ihn nun
nicht mehr wegzulegen, hat im Laufe der Jahre eine große Gelassenheit
im Umgang mit diesem Hilfsmittel gebracht!
Es wird zusätzlich immer offensichtlicher, dass ich mich
innerhalb unserer Wohnung nicht mehr so bewegen kann, wie ich es
gern tue, tänzelnd, schnell laufend, telefonierend! Beständig
stoße ich an, knackse mir die Hände oder Fingerknöchel an Türrahmen.
Während ich telefoniere, laufe ich gern auf und ab. Es ist teilweise
beängstigend, während dessen nicht mehr zu erkennen , an welchem Ort
im Raum ich mich gerade befinde.
Oft glaube ich zu wissen, an welcher Stelle ich stehe, in
Wirklichkeit aber befinde ich mich an einer völlig Anderen.
Diese Erfahrung hat mich gelehrt, immer häufiger nachzuprüfen, wo im
Raum ich gerade stehe.
Ein beherzter unaufmerksamer Schritt und es kann wirklich weh
tun.
Ich bewege mich noch viel zu schnell, werfe ständig etwas um. In
diesem meinem ganz persönlichen Bereich will ich mich nicht auch
noch komplett umstellen, ich will nicht!
Der eigene Gang, das Tänzeln durch die Wohnung, die Art, sich zu
bewegen, muss ich mich davon wirklich verabschieden?
Da wir eine sehr große Wohnung haben, überlege ich, mit der Zeit
einen Raum so zu gestalten, dass ich mich darin während des
Telefonierens oder Musikhörens frei bewegen kann, es dürften dann
lediglich wenige Möbel in diesem Raum vorhanden sein.
Oftmals kann ich abends nicht mehr eindeutig erkennen ob noch Licht
ist. Da die Augen sich langsam von hell auf dunkel umstellen, denke
ich oft, ah, hier ist noch Licht, schalte es um und es geht an statt
aus.
Glücklich leben mit Erblindung?
Innerhalb meiner therapeutischen Praxis arbeite ich mit sieben
Bewältigungsstufen!
„Verleugnen“ – „zusammenbrechen“ – „anerkennen“
Bei der Auseinandersetzung mit der wirklichen Erblindung muss ich mich
momentan mit diesen drei Bewältigungsstufen sehr tief
auseinandersetzen.
Ich bewege mich zur Stufe des „Anerkennens“.
„Trauern“ - „verarbeiten“ – „neu aufbauen“ – „wieder glücklich
werden“, ich durchlaufe diese Prozesse gerade noch einmal auf
einer tieferen Ebene.
Immer noch und immer wieder bin ich der Überzeugung, dass einem wahren
Lebensglück eine Erblindung nicht im Wege steht.
Mein Lebensglück hat zu tun mit Eigenliebe, mit wertgetragenen
Beziehungen, mit allumfassender Liebe.
Also, das Motto bleibt: „Glücklich und souverän leben mit
Behinderung“.
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